Guadeloupe teilt sich in einen westlichen (Basse-Terre) und einen östlichen Inselteil (Grand-Terre) auf, die durch eine schmale Landbrücke verbunden sind. Hierbei ist Rhum Damoiseau (bzw. die Destillerie Bellevue) in Le Moule die einzige noch aktive Brennerei auf Grand-Terre. Die von drei Brüdern geleitete Distillerie ist mit ca. 1,5 Millionen jährlich produzierten Litern Rhum zugleich auch der grösste Rhum-Produzent der Insel. Hiervon werden nur ca. 200.000 Liter exportiert, während der Grossteil der Produktion für den lokalen Markt bestimmt ist.
Die Brennerei wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von der aus Martinique stammenden Familie Rimbaud zwecks Produktion von Zucker und Melasse-Rum gegründet. Nach dem Niedergang der Zuckerproduktion auf der Insel und dem damit verbundenen Zerfall von Bellevue Anfang des 20. Jahrhunderts wurde diese von Roger Damoiseau 1942 aufgekauft und schrittweise wieder aufgebaut. Gleich zu Beginn entschied sich der neue Besitzer Rhum agricole statt Rhum industriel (= Melasse Rum) zu produzieren. Dank des unermüdlichen und 40 Jahre andauernden Einsatzes von Roger Damoiseau und seinen Söhnen Hervé, Jean-Luc und Régis ist es der Familie gelungen Damoiseau zu eine der führenden Destillerien auf Guadeloupe zu entwickeln.
Besonders positiv fanden wir bei unserem Besuch, dass die Brennerei gratis besucht werden kann und dass alle Bereiche öffentlich zugänglich sind (mit Ausnahme des Lagers). Die Mitarbeiter von Damoiseau sind zudem jederzeit bereit einzelne Produktionsschritte näher zu erklären, wobei der ohrenbetäubende Lärm der Produktionsanlage dies schier verunmöglicht.
Obschon Damoiseau ein schönes Verkaufslokal im Eingangsbereich der Brennerei besitzt und zudem die neuesten Abfüllungen zum Kauf auch anbietet (wie der links dargestellte 1995er Millésime) war es doch etwas enttäuschend, dass diese Produkte vor Ort nicht degustiert werden konnten. Uns wurde lediglich ein dreijähriger Rhum angeboten, der ehrlich gesagt nicht allzu berauschend war. Es war trotzdem ein schöner und spannender Besuch, der bei Gelegenheit gerne wiederholt werden sollte. (SW)
Weitere Infos unter: www.damoiseau.fr
Die Destillerie Domaine de Séverin ist eine kleine Brennerei (jährliche Produktion liegt bei ca. 180.000 Litern Rhum pro Jahr) im Nordosten von Basse-Terre, die von der Familie Marsolle erst 1929 gegründet wurde und somit eine der jüngsten Rhum-Produzenten auf Guadeloupe ist. Die zur Brennerei gehörenden Zuckerrohrfelder umfassen 35 Hektar Anbaufläche und dominieren hierbei das fruchtbare Gebiet südlich vom Grand Cul de Sac. Die Brennerei erreicht man über die nördliche Küstenstrasse, wobei man östlich von Sainte Marie über den Rivière Goyaves fährt und dann in Richtung Süden abbiegt. Der Weg führt vorbei an einer der letzten Zuckerfabriken von Basse-Terre - Bon Mére - wo unter anderem der Melasse-Rum PAP produziert und abgefüllt wird. Ein paar hundert Meter weiter weist ein Schild nach rechts zur Domaine de Séverin. Nebst der Produktion von Rhum werden bei Séverin Süsswasserkrevetten gezüchtet und verschiedene Gewürze für die lokalen Restaurants produziert.
Séverin eine der letzten Brennereien auf den französischen Antillen, die Wasserkraft als Antrieb für die Zuckerrohrpresse verwenden. Von dort aus wird der Zuckerrohrsaft mittels einer elektrischen Pumpe in einen der Gärtanks hinter dem rechts im Bild ersichtlichen Gebäude gepumpt. Unter der heissen Sonne der Tropen wird der Saft 48 Stunden vergärt. Die Destillation findet anschliessend in einer Stahl-Brennsäule statt. Der Rhum wird auf 50% vol. reduziert und dann entweder als Rhum blanc abgefüllt oder zu weiteren Alterung in 250 Liter Fässer abgefüllt. Nach sechs Jahren, wird dann der gealterte Rhum als "Rhum vieux" entsprechend abgefüllt. Die alten Abfüllungen enthielten noch eine Halsbanderole an der Flasche mit dem Jahr der Destillation. Leider sind diese wundervollen Abfüllungen nur noch sehr schwer zu bekommen.
Einen sehr interessanten Einblick gewährt der Stammbaum der Familie Marsolle. Zum einen ist erkennbar, dass die Inhaber der beiden Brennereien Domaine de Séverin und Montebello miteinander verwandt sind. Sehr spannend ist jedoch auch festzustellen welche Brennereien die Familien in der Vergangenheit betrieben haben, die heute nicht mehr existieren:
Distillerie La Lise (1893-1970), Bouillante (Guadeloupe)Distillerie Routa (1920-1974), Lamentin (Guadeloupe)
Auch bei Séverin besteht die Möglichkeit die hauseigenen Produkte zu degustieren. Da aber nur die Wahl zwischen dem weissen oder dem Rhum vieux besteht, wird das Angebot mit hauseigenen Punchs aber auch mit Rhums anderer Brennereien angereichert. Soviel sei verraten: Der sechsjährige Rhum von Séverin ist ein Gedicht! Leider standen die neuesten Abfüllungen (unter anderem ein Brut de fut) weder zur Degustation noch zum Verkauf zur Verfügung. Domain de Séverin ist trotzdem ein Besuch wert. (SW)
Weitere Infos unter: www.severinrhum.com
Von Guadeloupe kann man entweder mit der Fähre oder mit einem gecharterten Privatflugzeug zur Nachbarsinsel Marie Galante übersetzen (wir haben uns für die zweite Variante entschieden). Da wir in Begleitung von Werner (Rhum House - Schweizer Generalimporteur von Bielle) waren, wurden wir - kaum auf der Insel gelandet - vom Besitzer der Maison Bielle, Dominique Thiéry und seiner Frau empfangen. Als erstes gab es dann auch den typischen Empfangs-Drink Ti Punch, vom Patron "himself" mit weissen Rhum aus der eigenen Brennerei zubereitet. Im Anschluss durften wir auch gleich das neueste Produkt des Hauses - ein zehnjähriger in 2005 hergestellter Rhum Vieux degustieren. Beides ein Gedicht!
Am nächsten Tag ging es dann zur Destillerie, die sich praktisch im Zentrum der Insel befindet und mit einer jährlichen Produktionsmenge von 200.000 Litern nach Bellevue die zweitgrösste Brennerei auf der Insel ist. Die Maison Bielle hat seinen Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts, als das Anwesen mit der Produktion von Zucker startete. Nach verschiedenen Besitzerwechseln, war es Paul Rameau der in den 40er Jahren zwar das kreolische Anwesen auf dem Gelände erbaute es jedoch nicht schaffte, während seines Wirkens die Brennerei wieder anzukurbeln. Diese Aufgabe nahm sein Grossneffe, Dominique Thiéry 1975 in Angriff und modernisierte die gesamte Brennerei, teils dank der "Unterstützung" des Hurrikan Hugo, der die Brennerei massiv beschädigte und somit Thierry zwang die veralteten Anlagen zu modernisieren. Heute zählt Bielle zu einen der führenden Destillerien Guadeloupes und erfreut Rhum-Liebhaber weltweit.
Auf dem Gelände der Brennerei befindet sich ein kleines Lager zur Aufbewahrung und Alterung des Rhums sowie eine Abfüllanlage für die Destillate. Die Premium-Produkte werden zudem teilweise von Hand abgefüllt und etikettiert. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Rhum-Fässer stehend gelagert werden. Der Grund hierfür ist, dass dadurch die Holzfasern in den Fässern besser Flüssigkeit von den "nassen" Bereichen in die bereits trockenen Bereiche des Fasses transportieren und somit der Austrocknung des Fasses entgegenwirken.
Der grösste Anteil des eingelagerten Rhums befindet sich jedoch ausserhalb des Geländes in einem externen Lager bzw. Halle. Wir hatten das grosse Vergnügen und auch die Ehre, dieses Lager besuchen und die neuesten Kreationen die demnächst auf den Markt kommen sollen probieren zu dürfen. Details zu diesen Produkten dürfen wir natürlich nicht verraten, aber liebe Rhum-Aficionados, macht Euch auf schöne Überraschungen in den kommenden Jahren gefasst!
Bei Bielle besteht die Möglichkeit alle hauseigenen Produkte zu degustieren (mit Ausnahme der überteuerten Spezialabfüllungen für die Maison du Whisky). Besonders gut hat uns die Spezialabfüllung zum 40. Geburtstag der Destillerie gefallen, der siebenjährig mit 53,4% vol. abgefüllt wurde. Etwas enttäuscht waren wir von der neuesten 2015er Liberation-Abfüllung, die um einiges teurer als die erstgenannte Abfüllung ist, jedoch nicht die gleiche Fülle an Aromen in Nase und Gaumen ermöglicht. Der Besuch und die Gastfreundschaft des Besitzers und seiner Frau werden uns lange in Erinnerung bleiben. (SW)
Weitere Infos unter: http://www.rhumbielle.com/
Die 1916 gegründete Distillerie Reimonenq befindet sich in der nördlichen Hälfte von Basse Terre ganz in der Nähe der Domaine du Séverin. Gegründet wurde die Brennerei von Léopold Reimonenq, einem finnischen Einwanderer. Die beiden Söhne Joseph und Fernand bauten die Anlage aus. Die entscheidenden Impulse kamen jedoch ab 1959 vom gleichnamigen Enkelsohn Léopold, der 1989 das Musée du Rhum aufbaute, das nebst alter Brennapparate und weiterer Werkzeuge ab 1994 auch eine beeindruckende Insekten-Sammlung sowie eine nautische Sammlung umfasst. Vor seiner grössten Herausforderung stand Léopold, als 1969 die Brennerei aufgrund eines Kurzschluss im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufging. Er beschloss den Wiederaufbau und Modernisierung der Anlage. Die Brennerei wurde hierbei - etwas despektierlich betrachtet - aus Schrott wieder zusammengebaut. Léopold bediente sich als genialer "Daniel Düsentrieb" gebrauchter Geräte, Zahnräder, Maschinen usw. von abgewrackten Zuckerei-Fabriken und baute so eine Brennerei-Anlage zusammen, die bis heute Bewunderung bei vielen Experten für Brennerei-Anlagen hervorruft. Unter anderem entwickelte er ein Temperatursteuerverfahren, mittels dessen nachteilige Esther aus dem Destillat entfernt werden können. Der daraus entstehende Coeur de Chauffe Rhum sucht seinesgleichen auf Guadeloupe.
Dank Werner (Rhum House) war es uns auch bei Reimonenq möglich, den Patron und seine im Betrieb mitarbeitenden Töchter persönlich kennenlernen zu dürfen. Léopold hat uns zuerst mit einem café energisant (eiskalter Kafee mit einem Schuss Reimonenq on the Rocks) empfangen, der laut ihm Garant für ein langes Leben ist. In Folge führte er uns durch die ganze Anlage - wohlbemerkt mit einer angezündeten Zigarre im Mund - wobei er zu jedem einzelnen Bestandteil eine Geschichte erzählen bzw. weitere Hintergründe erläutern konnte. Es war faszinierend hautnah zu erfahren mit welchem Einfallsreichtum er die Anlage Stück für Stück über die Jahre aufgebaut hat.
Auch bei Reimonenq durften wir die ganze Palette an Rhums degustieren. Besonders gut in Erinnerung werden der "Reimonenq Rhum Vieux Reserve RQL" und der "Reimonenq Hors d'age 11 ans" bleiben. Aber auch die jüngeren Abfüllungen sind besonders reizvoll, was Werner jedes Jahr mit seinen Schweizer Reimonenq-Abfüllungen beweist. Auf jeden Fall wird uns der Besuch bei dieser aussergewöhnlichen Brennerei sehr gut in Erinnerung bleiben. (SW)
Weiter Infos unter: http://musee-du-rhum.fr/
Am Tag der Abreise ging es noch auf einen kurzen Abstecher zur Distillerie Longuetau auf dessen Gelände sich zudem die Rhumerie Karukera befindet. Die Geschichte des Anwesens geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, wobei sich der damalige Besitzer, der Marquis von Saint-Marie aufgrund von Spielschulden gezwungen sah, das Anwesen im südlichen Teil von Basse-Terre zu verkaufen, das sich nur wenige Meter von Christoph Kolumbus Landestelle 1493 befindet. Henri Longueteau gründete nach dem Kauf 1895 die Brennerei, indem er den Entschluss fasste die kleine Zuckerfabrik der Domaine du Marquisat de Sainte-Marie umzuwandeln und Rhum aus Zuckerrohrsaft herzustellen. Sein Sohn Henri übernahm die Brennerei 1927 von seinem Vater. Er entwickelte den Herstellungsvorgang weiter, indem er 1968 das Schaufelrad durch eine Lokomotiven-Dampfmaschine ersetzte. Dessen Sohn Paul-Henri wiederum, der bereits seit Ende der 50er Jahre in der Brennerei gearbeitet hatte, wurde erst 1987 Eigentümer der Domaine du Marquisat de Sainte-Marie und somit der Brennerei. Durch ihn wurde der Rum erstmals auf das französische Festland exportiert. Der heutige Besitzer François kam 1979 als Destillateur in die Brennerei und kaufte diese 2005 von seinem Vater Paul-Henri ab. Innerhalb von zehn Jahren entwickelte er die Brennerei sehr schnell mit zahlreichen Änderungen in der Logistik und im Vertrieb und einem Ausbau des Produktionsapparats in 2013/2014, der zu einer Verdoppelung der Produktionskapazität führte.
Auf dem Gelände befindet sich zudem die Rhumerie Karukera, die Rhums von Longueteau (zu deren Leidwesen aber auch von anderen Rhum-Herstellern) aufkauft und diese entsprechend altern lässt. Da wir uns auf den Weg Richtung Flughafen machen mussten, haben wir es uns verkniffen Rhums zu degustieren. Aber auch hier, hätte es nur Punchs oder jüngere Abfüllungen gegeben, so dass das "Opfer" nicht allzu gross war. Ein Besuch ist aber auch Longueteau auf jeden Fall wert! (SW)
Weitere Informationen unter: http://www.rhumlongueteau.fr/de/
oder auch folgender spannender Beitrag bei DuRhum: http://durhum.com/longueteau/